Flugverkehr trotz Aschewolke – Neues satellitenbasiertes Verfahren bereit für ersten Einsatz
Um die Sicherheit des Flugverkehrs zu erhöhen und schnelle Reaktionen des Luftverkehrssystems im Krisenfall eines Vulkanausbruchs zu ermöglichen, ist es notwendig aschefreie Lufträume nachzuweisen. Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurde ein satellitengestütztes Verfahren entwickelt, das kurzfristig die Ascheverteilung in der Luft bestimmt und stark sowie schwach aschebelastete Bereiche detailliert abbildet.
„Der Ausbruch der isländischen Vulkane Eyjafjallajökull 2010 und des Grimsvötn 2011 haben die Verwundbarkeit des Luftverkehrssystem bei Vulkanausbrüchen deutlich gemacht und Lücken in den Beobachtungssystemen für Vulkanasche offengelegt“, sagt Professor Dr. Markus Rapp, Direktor des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre. „Deshalb haben wir uns entschieden, ein Verfahren zu entwickeln, dass Aschewolken mit bereits im Weltall befindlichen Satelliten detailliert aufspürt.“ Im April 2010 mussten große Bereiche des Luftraums über Europa gesperrt werden, da zu Beginn der Krise keine Grenzwerte für die tolerierbare Aschemassenkonzentration vorlagen und die tatsächliche Aschemassenkonzentration in der Luft nur unzureichend bekannt war. Rund 100.000 Flüge wurden damals gestrichen.
Mit Meteosat die Asche im Blick
Beim Ausbruch des Eyjafjallajökull wurde im Verlauf der Krise ein Grenzwert für die für Flugzeuge maximal zulässige Vulkanaschemassenkonzentration im Luftraum von Mitteleuropa und Großbritannien von zwei beziehungsweise vier Milligramm Asche pro Kubikmeter Luft festgelegt. Doch wie kann man Lufträume identifizieren, die eine Aschemassenkonzentration unterhalb dieser Grenzwerte aufweisen? DLR-Wissenschaftler gehen dieser Frage nach. Bis 2015 wollen sie mit bereits im Weltall befindlichen Satelliten in der Lage sein, die Aschewolke eines Vulkanausbruchs zeitnah und präzise zu vermessen und ihre Verlagerung in den Folgestunden vorherzusagen. „Satellitendaten sind die wichtigste Informationsquelle, um großräumig zu beurteilen, wie sich eine Aschewolke ausbreitet“, erklärt Rapp. Die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre beschäftigen sich seit 2012 im Rahmen des Projekts VolcATS (Volcanic ash impact on the Air Transport System) mit der Auswertung von Meteosat-Daten zur Vulkanaschedetektion. „Dabei haben wir wichtige Infrarotsignaturen für Vulkanasche im Luftraum erkannt und in die Datenauswertung integriert“, so Rapp weiter. Entscheidend für den Erfolg waren wiederholt Vergleichsmessungen mit dem DLR-Forschungsflugzeug Falcon in der Nähe von Vulkanen und in Mineralstaubwolken, die den Forschern als Testszenario dienten.
Bereit für ersten Einsatz
Ein Prototyp des neuen Verfahrens zur satellitenbasierten Vulkanaschedetektion VADUGS (Volcanic Ash Detection Utilizing Geostationary Satellites) ist bereit für einen ersten Einsatz, sollte der Vulkan Bardabunga Aschewolken ausstoßen. Es liefert dann nicht nur deutlich genauere Informationen, wo sich eine Aschewolke mit welcher Konzentration ausbreitet. Hinzu kommt die hohe Aktualität: Alle 15 Minuten liefern die von EUMETSAT betriebenen Meteosat-Satelliten der zweiten Generation Daten für ein aktuelles Lagebild.
Im Projekt TeFiS (Technologie für Flugmanagement in großen Strukturen), das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, entwickeln die DLR-Wissenschaflter VADUGS in enger Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD), der Lufthansa und der Deutschen Flugsicherung (DFS) weiter. Das Verfahren wird nun an die speziellen Erfordernisse für einen operationellen Routinebetrieb beim Deutschen Wetterdienst angepasst. Die Beteiligung der Deutschen Lufthansa stellt sicher, dass die Erfordernisse der Luftfahrtbranche bei der Weiterentwicklung berücksichtigt werden und die Ergebnisse für Piloten und Flugplaner bedarfsgerecht aufbereitet sind.
Parallel arbeiten die Atmosphärenforscher des DLR daran, präzise vorherzusagen, wie sich die einmal detektierten Vulkanaschewolken innerhalb einer Stunde ausbreiten werden. „Dazu nutzen wir einen Algorithmus, den wir bereits erfolgreich bei der Kurzfristvorhersage von Gewittern einsetzen“, erläutert Rapp. „Hierbei berücksichtigen wir detailliert die vorhandenen Windfelder und erreichen so eine deutlich genauere Vorhersage, als dies über klassische numerische Wetterprognosen möglich ist.“
Trotz aller Fortschritte bei der Auswertung von Satellitendaten hat die Messbarkeit von Vulkanasche aus dem Weltall Grenzen: Eine dicke geschlossene Wolkendecke über der Vulkanascheschicht verhindert beispielsweise ein klares Vulkanaschemuster in den Daten. Um die Höhenverteilung einer Vulkanaschwolke zu erkennen, brauchen die Wissenschaftler zudem Messdaten von Forschungsflugzeugen wie der DLR-Falcon und Bodenstationen, die der Deutsche Wetterdienst unterhält.
Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von Vulkanasche auf den Luftverkehr bündelt das DLR im Projekt VolcATS (Volcanic ash impact on the Air Transport System). Dieses Projekt umfasst ein satellitengestütztes Verfahren, das kurzfristig die Ascheverteilung in der Luft bestimmt und vorhersagt sowie Beiträge für ein flexibles Luftverkehrsmanagement, mit dem aschefreie und damit sichere Bereiche für den Flugverkehr freigegeben werden können. Ergänzend werden die noch unzureichend bekannten Folgen von Vulkanasche für Flugzeugtriebwerke untersucht sowie ein Asche-Warnsystem für Linienmaschinen entworfen. Beteiligt sind die DLR-Institute für Physik der Atmosphäre, Flugführung, Werkstoffforschung, Antriebstechnik, Flugsystemtechnik sowie die DLR-Lufttransportsysteme und die DLR-Flugexperimente.
Während des Ausbruchs des Eyjafjallajökull 2010 konnte auf Grundlage von Messflügen mit der DLR-Falcon der gesperrte Luftraum über Deutschland wieder freigegeben werden. Die Falcon ist das einzige Forschungsflugzeug in Europa, das in der Lage ist im Rahmen gesetzlicher Grenzwerte in großen Höhen und über längere Distanzen in Gebiete mit erhöhten Vulkanaschekonzentrationen einzufliegen.
Quelle: DLR