Atommüll: Bei Kaverneninspektion in Brunsbüttel auch stark deformiertes Fass entdeckt
Wie das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume aus Kiel aktuell mitteilt, sind bei der Inspektion der Kaverne I des Kernkraftwerks Brunsbüttel erneut Atommüllfässer mit starken Schäden festgestellt worden. Neu ist, dass ein Fass deformiert ist, bei anderen sind Fasswände zerstört und Fasskonturen sowie die Übergänge zwischen einzelnen Fässern teilweise nicht mehr erkennbar. Dies teilte die Atomaufsichtsbehörde heute (25.9.2014) in Kiel auf Basis einer Zwischenbilanz der noch andauernden Kamerainspektion mit. Gesundheitsgefahren für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kernkraftwerks und für die Bevölkerung bestehen nicht, da die Kavernen durch meterdicke Betonriegel von der Umgebung abgeschirmt sind.
Schäden in Kaverne I: Fassinhalte ausgetreten
„Wir hatten bei Öffnung der Kaverne I bereits mit größeren Schäden gerechnet. Das Ausmaß übertrifft aber unsere Befürchtungen“, sagte Robert Habeck.
Der Betreiber des Kernkraftwerks hatte Anfang dieser Woche mit der Inspektion mittels einer Spezialkamera begonnen. Bis zum 24. September wurden 36 der 120 Fässer inspiziert. 17 davon gelten als stark beschädigt. Es handelt sich ausschließlich um Fässer mit Verdampferkonzentrat.
Wie bereits in der Kaverne II kam es auch hier zum Austritt von Fassinhalten. Das schwach- bis mittelradioaktive Verdampferkonzentrat klebt an Fassstapeln und hat sich außerdem am Kavernenboden gesammelt. Auch hier sind Fässer nicht konzentrisch übereinander abgestellt. An einem Fassstapel ist das unterste Fass unter dem Gewicht der fünf darüber gestapelten Fässer (ca. 1000 Kilogramm) schräg in sich zusammengesunken, etwa um 30 Zentimeter. Mit den nun inspizierten Fässern erhöht sich die Gesamtzahl der schwer beschädigten Fässer in den Kavernen auf 55 bei insgesamt bislang 251 untersuchten Fässern in den 4 inspizierten Kavernen. Mit weiteren zerstörten Fässern ist zu rechnen.
In der Kaverne I befinden sich 120 Fässer mit schwach- bis mittelradioaktivem Filter- bzw. Verdampferkonzentrat. Der Abfall war zwischen 1983 und 1985 in dieser – seither nicht mehr geöffneten – Kaverne eingelagert und nach Auffassung der Atomaufsicht zuvor nicht ausreichend getrocknet worden.
Bergungskonzept muss erneut erweitert werden
Habeck betonte: „Jahrzehnte lang ist hier offenbar ein wachsendes Problem verdrängt worden. Jetzt ist die Kompetenz aller verfügbaren Fachleute erforderlich, dieses Problem zügig in den Griff zu bekommen.“
Die Atomaufsicht hat den Betreiber aufgefordert, sein Bergungskonzept aufgrund der neuerlichen Befunde abermals so schnell wie möglich zu ergänzen. Es werde jetzt nicht mehr in allen Fällen ausreichen, geeignete Greiferwerkzeuge bereitzustellen, sagte der Leiter der Atomaufsichtsbehörde, Jan Backmann. Es müssten nicht mehr nur instabile, sondern auch deformierte Fässer und Fassinhalte geborgen werden. „Diese sind mit den herkömmlichen Vorrichtungen nicht handhabbar.“
Angesichts der neuen Befunde hält Minister Habeck weiter eine zügige Bergung für notwendig. „Der Zustand der Fässer darf sich nicht immer weiter verschlechtern. Vattenfall muss deshalb möglichst früh nach Abschluss der Kaverneninspektion mit der Bergung beginnen, und zwar von den Fässern, für die schon eine geeignete Greifvorrichtung existiert. Klar ist, dass der Schutz des Betriebspersonals vor der Strahlung der schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle dabei oberste Priorität hat.“
Nach Auffassung der Atomaufsicht ist von entscheidender Bedeutung, dass die Betreibergesellschaft ihre Bergungsplanungen an den neuesten Erkenntnissen ausrichtet, das Konzept für die einzelnen Kavernen am jeweiligen Schadensausmaß orientiert und zu jedem Zeitpunkt die Sicherheit der Bevölkerung und der Mitarbeiter gewährleistet.
Die Inspektion der Kaverne I dauert voraussichtlich noch bis Anfang Oktober. Im Laufe des Jahres sollen dann noch die ausstehenden Kavernen III und VI untersucht werden. „Wir rechnen auch hier damit, weitere Fässer mit starken Schäden zu finden“, sagte Habeck.
In sechs unterirdischen Lagerstätten („Kavernen“) des Kernkraftwerks Brunsbüttel befinden sich schwach- und mittelradioaktive Abfälle (631 Fässer) aus dem Reaktorbetrieb. Es handelt sich im Wesentlichen um Filterharze und Verdampferkonzentrate.
Die Fässer lagern in 6 Kellerräumen, den sogenannten Kavernen des Kernkraftwerks. In den 631 Stahlfässern werden radioaktive Abfälle (Filterharze, Verdampferkonzentrate und Mischabfälle) aus dem Leistungsbetrieb des Reaktors aufbewahrt. Die Kavernen befinden sich im Keller des Feststofflagers. Sie bilden mit Betonwänden und Betonriegeln die Barriere, um die Umwelt vor Strahlung zu schützen. So sind sie durch 110 Zentimeter dicke Betonriegel von oben her abgeschirmt. Diese Betonriegel reduzieren die Strahlung so weit, dass oberhalb der Kaverne unter Strahlenschutzmaßnahmen gefahrlos gearbeitet werden kann.
Die Abfälle sind auf die Endlagerung im niedersächsischen „Schacht Konrad“ vorzubereiten, u.a. durch Verpackung aller Abfälle in bauartgeprüfte, speziell zugelassene Behälter. Das Endlager Konrad wird voraussichtlich Anfang des kommenden Jahrzehnts zur Verfügung stehen. Bis dahin sollen die Fässer am Standort Brunsbüttel gelagert werden, zunächst in den bereits bestehenden Transportbereitstellungshallen, dann in einem neu zu errichtenden Zwischenlager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle, das im Zuge des beantragten Rückbaus des Kernkraftwerks entstehen soll.
Die Kavernen sind nur von oben zugänglich. Die Öffnung dieser Riegel und die Arbeiten an den geöffneten Kavernen sind im Hinblick auf den Schutz des Bedienungspersonals und der Bevölkerung unbedenklich. Die Einhaltung der Strahlenschutzvorschriften (wie Betonabschirmungen, Fernbedienung, vorsorglicher Atemschutz) werden von der Reaktorsicherheitsbehörde mit Unterstützung durch Sachverständige des TÜV NORD überwacht.
Quelle: schleswig-holstein.de
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